Klassische Homöopathie in der Tiermedizin Die Homöopathie erfreut sich auch in der Tiermedizin immer größerer „Beliebtheit“. So begrüßenswert diese Entwicklung auch zunächst erscheinen mag, so entwickeln sich doch gleichlaufend Missverständnisse und Gefahren durch ungenügende Sachkenntnis in der Anwendung der homöopathischen Mittel. In vielen Tierzeitschriften wird mehr oder weniger fachkundig über homöopathische Heilweisen geschrieben, auf dem Tierfuttermarkt gibt es bereits Präparate mit Zusätzen homöopathischer Mittel, und im Handel befinden sich mittlerweile so genannte „Komplexmittel“ (zusammengesetzt aus einer Mixtur mehrerer potenzierter Mittel). Auch „Einzelmittel“ für bestimmte Krankheiten mit Gebrauchs- und Dosierungsanweisungen, die wohl so manch einen verantwortungsbewussten und gewissenhaft arbeitenden Homöopathen echte Magenschmerzen verursachen, sind mittlerweile auf dem Markt erhältlich. Homöopathie – was ist das? Der Begriff Homöopathie stammt aus dem Griechischen "homoion" (= ähnlich, gleich) und "pathos" (= Leiden, Krankheit). Oft wird die Homöopathie gleichgesetzt mit Kräutermedizin, oder sie wird als Oberbegriff für alle Naturheilverfahren. verstanden. Aber die Homöopathie ist ein völlig eigenständiges Therapieverfahren mit klar definierten Regeln und Gesetzen. Das Grundprinzip der Homöopathie ist das Ähnlichkeitsprinzip, welches besagt das eine Substanz die bei einem Gesunden bestimmte Symptome hervorrufen kann, eben entsprechende Symptome bei einem Kranken heilen kann. Durch Anregung der körpereigenen Abwehrkräfte wird der Körper bei der Heilung unterstützt. Die Homöopathie ist eine Reiz- und Regulationstherapie. Somit wird "Ähnliches durch Ähnliches geheilt" (lat. "similia similibus curentur"). Schon Hippokrates in vorchristlicher griechischer Zeit und Paracelsus im Mittelalter machten sich diese "Ähnlichkeitsregel" bei ihren Heilmethoden zu Nutze. Wieder entdeckt und erheblich durch Forschungen und Selbstversuche ausgebaut wurde das homöopathische Prinzip von Samuel Hahnemann vor mehr als 200 Jahren. Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, entwickelte vor ca. 200 Jahren die Homöopathie zu einem wissenschaftlichen Heilsystem mit strengen und verbindlichen Vorschriften für ihre Anwendung, welche heute noch dieselbe uneingeschränkte Gültigkeit haben wie früher - bei Mensch und Tier in gleicher Weise. Das Studium der Homöopathischen Medizin erfordert mindestens denselben Aufwand wie ein Medizinstudium an der Universität – mit dem Unterschied, dass ein Homöopath nie zu Ende gelernt hat. Wer homöopathisch heilen möchte muss sich im klaren darüber sein, dass er sein Leben lang zu lernen hat. Warum eigentlich klassische Homöopathie? Wenn Homöopathie klassisch, d.h. nach den Gesetzen Samuel Hahnemanns, praktiziert wird, ist es die einzige Therapie, bei der echte Heilung sanft, schnell und nebenwirkungsfrei erreicht werden kann. Das ist letztendlich auch der Wunsch anderer Therapierichtungen. Während z.B. Fieber schulmedizinisch mit Medikamenten bekämpft (unterdrückt) wird, bedient sich die Homöopathie Fieber erzeugender Arzneimittel, die den Organismus bestärken, aus eigener Kraft das Fieber zu überwinden. Weshalb ist die genaue Beobachtung so wichtig? Das Prinzip der Homöopathie basiert darauf, eine Störung im Organismus mit dem Arzneimittel zu behandeln, welches im gesunden Organismus ähnliche Symptome hervorrufen kann. Je genauer die Symptome, je größer die Chance, auf Anhieb das richtige Mittel zu finden. Wie findet man das richtige Arzneimittel? Hahnemann (1755 - 1843), der Begründer der heutigen klassischen Homöopathie, hat damals begonnen gesunden Personen Stoffe in hoher Verdünnung zu verabreichen. Diese mussten akribisch genau ihre Symptome täglich niederschreiben. Aus diesen Niederschriften entstanden im Laufe der Zeit Symptomenverzeichnisse (Repertorien) und Arzneimittelbilder, die bis in unsere Zeit erweitert werden. Wie schnell wirken homöopathische Arzneimittel? Die Wirkung des passenden homöopathischen Arzneimittels hängt von der Reaktionsfähigkeit (Lebenskraft) des Patienten ab. Ist der Patient reaktionsfähig (akute Krankheit), wird es ihm in sehr kurzer Zeit besser gehen. Bei chronischen Krankheiten und noch vorhandener Reaktionsfähigkeit wird sich innerhalb einiger Wochen die Besserung einstellen. Wo liegen die Grenzen der Homöopathie? Missbildungen und genetisch bedingte Störungen sind homöopathisch nicht zu heilen. Je nach Situation kann eine Linderung der Beschwerden erreicht werden. Grundprinzipien der Homöopathie Das Grundprinzip der Homöopathie lautet: „Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“ - oder lateinisch ausgedrückt: „Similia similibus curentur Die in der Arzneimittelprüfung an gesunden Menschen erzielten Ergebnisse wurden genauestens protokolliert und bilden die Grundlage der Arzneimittelbilder. Diese beinhalten die „homöopathischen Zeichen und Symptome“ und sind zusammen gefasst in der Arzneimittellehre und systematisch aufgelistet in Nachschlagewerken, dem Homöopathischen Repertorium. Das Bild des Patienten - die „Gesamtheit seiner Symptome“ muss in Beziehung gesetzt werden zu den Arzneimittelbildern. Das dem Patienten ähnlichste Mittel wirkt dann als spezifisches Heilmittel für den Patienten. Nach Hahnemanns Definition ist beim kranken Menschen die Lebenskraft „verstimmt“ und muss durch das passende Heilmittel wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Demzufolge ist die Stärke, die Intensität der homöopathischen Arznei, der Lebenskraft des Patienten anzupassen. Das geschieht durch das homöopathische Potenzieren oder Dynamisieren, welches „Kraft-Freisetzen“ bedeutet: Je höher die Potenz einer Arznei, desto stärker und genauer ist die Kraft ihrer Wirkung. Samuel Hahnemann wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Meißen auf. Er studierte Medizin, war einige Jahre praktischer Arzt und bildete sich auch als Apotheker und Chemiker aus. Hahnemann war vielseitig begabt und so erwarb er sich durch seine Sprach- und Übersetzungsfähigkeiten ein ausgeprägtes eigenes Weltbild der "humanen Medizin". Die damals vor 200 Jahren angewandten, teilweise sehr radikalen "Heilmethoden" lehnte Hahnemann ab, denn sie schadeten dem kranken Menschen mehr als sie ihm nützten. Hahnemann ging einen anderen, sanften Weg: er war der Überzeugung, dass im Kranken Kräfte schlummern, die man erwecken muss, damit sich der Körper selbst hilft. Sein berühmter erster Selbstversuch waren Experimente mit Chinarinde. Hier beobachtete er an sich selbst, dass Chinarinde Fieberschübe auslöste, die der Malaria ähnlich waren. Da aber Chinarinde zur Behandlung der Malaria eingesetzt wurde, folgerte er daraus, dass Chinarinde wirke, weil sie malariaähnliche Symptome - sogar verstärkt - hervorrufe. Das Potenzieren homöopathischer Arzneien Unter Potenzierung versteht man das schrittweise Verdünnen und Verschütteln oder verreiben einer Substanz. Hahnemann entwickelte ein eigenes Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln und führte dieses nach jahrelangen Experimenten in die Homöopathie ein. Die genaue Beschreibung der Zubereitung kann man in seinem Organon der Heilkunst, §§ 270 ff, nachlesen. Die Arzneien werden stufenweise verdünnt und zwischen jedem Verdünnungsschritt verrieben bzw. verschüttelt. Im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Irrtum, es handle sich lediglich um eine Verdünnung, kommt der Verreibung bzw. dem Verschütteln eine große Bedeutung zu. Erst dadurch, zusammen mit der Verdünnung, wird die Arzneikraft in vollem Maße erschlossen - selbst bei Metallen wurden so bis dahin unbekannte Arzneiwirkungen entdeckt. Dieses Verfahren nennt man Potenzierung, abgeleitet von dem lateinischen "Potenz" (Kraft, Fähigkeit, Leistungsvermögen). Die Verdünnung erfolgt mit den arzneilich neutralen Substanzen Alkohol oder Milchzucker. Bei der ersten Verdünnungsstufe (z. B. im Verhältnis 1:100) wird 1 Teil des Arzneistoffs mit 100 Teilen Milchzucker oder Alkohol verschüttelt bzw. verrieben, das Ergebnis ist die C1. Dann wird im selben Verhältnis weiter verdünnt, d. h. 1 Teil dieser C1 wird mit 100 Teilen Milchzucker bzw. Alkohol verrieben bzw. verschüttelt, so bekommt man die C2. Schon bei der C3 ist nur noch ein Millionstel der Ausgangssubstanz enthalten. Jenseits der statistischen Nachweisgrenze (Gesetz von Avogadro), also ca. ab der C12, ist keine Materie mehr in den Arzneien enthalten (dazu mehr weiter unten im Text). Hahnemann bezeichnete so hergestellte Arzneien deshalb auch als "geistartig" oder "dynamisch" (modern ausgedrückt energetisch), die Potenzierung wurde auch "Dynamisation" genannt. Es gibt in der klassischen Homöopathie drei verschiedene Verfahren zur Potenzierung mit je unterschiedlichen Verdünnungsschritten: D (Dezimal) - Potenzen: | Verdünnung | 1:10 | C (Centesimal) - Potenzen: | Verdünnung | 1:100 | Q oder LM | Verdünnung | 1:50.000 | Hahnemann hatte anfangs das Problem, dass bei der homöopathischen Anwendung von Arzneien vor einer Heilung oft unangenehme Reaktionen auftraten, insbesondere bei Stoffen, die sehr giftig sind wie z. B. die Tollkirsche Atropa belladonna. Er trat dem zunächst damit entgegen, dass er die Arzneien verdünnte, wobei sie jedoch immer mehr an Wirksamkeit verloren. Um dieses Problem zu lösen, experimentierte er so lange, bis er die Potenzierung entdeckte. Hahnemann konnte beobachten, dass die Arzneien auf solche Weise zubereitet keine so starken Reaktionen hervorriefen und zudem eine ungleich höhere Wirksamkeit entfalteten als in roher Form. Er machte die Erfahrung, dass selbst Stoffe, die normalerweise keine große Arzneikraft besitzen, zu arzneilich hochwirksamen Mitteln wurden - wie z. B. das Kochsalz, verschiedene Metalle, Graphit, Kalk Materia Medica Um eine Substanz finden zu können, die auf die Symptome eines Kranken passt, wird eine umfangreiche Symptomsammlung von Substanzen benötigt. Diese Symptomsammlung heißt in der Homöopathie Arzneimittelbild und das Buch, in dem viele Substanzen beschrieben sind, heißt Arzneimittellehre oder Materia Medica. Die Symptome der homöopathischen Arzneimittel stammen aus Arzneimittelprüfungen am gesunden Menschen, der Toxikologie sowie der Anwendung am Kranken. Arzneimittelprüfung Bei der Arzneimittelprüfung wird die zu prüfende Substanz von Versuchspersonen eingenommen und die Erscheinungen genausten aufgezeichnet. Die Toxikologie liefert Symptome aus dokumentierten Vergiftungsfällen. Bönninghausen unterschied verschiedene Grade der Wertigkeit. Der kleinste Grad bedeutet, daß das Symptom in Arzneimittelprüfungen aufgetreten ist; war dies häufiger der Fall, erscheint die Arznei im zweiten Grad. Konnte das Symptom klinisch bestätigt werden, erhielt die Arznei den dritten Grad und wenn das häufig der Fall war, den vierten Grad. Die Ausgangssubstanzen Um Symptome am Gesunden hervorrufen zu können, müssen die verwendeten Substanzen eine gewisse Giftigkeit besitzen. Daher werden die meisten existierenden Gifte auch homöopathisch eingesetzt. Diese Substanzen stammen hauptsächlich aus den Bereichen Pflanzen, Tiergifte, Mineralien/ chemische Elemente, Nosoden, synthetische Verbindungen und Imponderabilien ( nicht Wägbares, z.B. Röntgenstrahlen). Organon der Heilkunst "Organon der Heilkunst" heißt das Hauptwerk und Lehrbuch der Homöopathie. Es ist das bedeutungsvollste Werk Samuel Hahnemanns neben der „Reinen Arzneimittellehre“ und den „Chronischen Krankheiten“. Organon heißt auf Griechisch „Werkzeug“. Dieses Buch ist also ein Werkbuch oder eine Arbeitsanleitung, wie die Homöopathie ausgeübt werden sollte. Im Organon schrieb Hahnemann nach mehreren Jahren Erfahrung die er sich zum Teil in Selbstversuchen erworben hatte die knapp 300 Paragraphen der genauen Anweisungen zur Ausübung der Homöopathie. Auszug: Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden für sich erregen kann, als sie heilen soll ! Anwendung der Homöopathie am Tier Seit ihren Anfängen hat die Homöopathie immer wieder Eingang in die Tiermedizin gefunden. Im Jahre 1829 schrieb Hahnemann eine zwölfseitige, unveröffentlicht gebliebene „homöopathische Heilkunde der Haustiere“. Alle Vorschriften der Homöopathie gelten genauso auch für die Tiere. Dabei ist es gleichgültig, um welche Tierart es sich handelt. Auch die Menge der Arznei für Tiere spielt keine größere Rolle. Es handelt sich ja bei der homöopathischen Arznei nicht um einen chemisch definierten Wirkstoff, sondern um eine Art Information, welche die „verstimmte Lebenskraft“ des betreffenden Organismus ins Gleichgewicht bringen soll. Daher ist die Anzahl der (z.B.) Globuli für einen Hund dieselbe wie für eine Kuh. Die Anamnese Auch beim Tierpatienten muss eine genaue Aufnahme des Falles - Anamnese - erfolgen, welche die Art der Krankheit erfasst, die Modalitäten d.h. die Art und Weise der Erkrankung, wie, wann, seit wann, warum und wo der Patient leidet und welche möglichen Begleiterscheinungen oder Gemütsverfassungen auftreten. In chronischen Krankheitsfällen ist eine „konstitutionelle“ Behandlung erforderlich, welche auch die „Persönlichkeit“, das Verhalten sowie das soziale Umfeld des Tieres berücksichtigt: Es müssen Gefühle wie Angst, Zorn, Traurigkeit, Durchsetzungsvermögen und andere Faktoren des Sozialverhaltens erfragt werden. Resümee Die Homöopathie besitzt eine völlig andere Wirkungsweise und kann gerade in der Tierheilkunde sehr gute Erfolge aufweisen. Sie stellt neben der Schulmedizin eine wichtige Therapiemöglichkeit da. Wenn die Schulmedizin mangels Therapiemöglichkeiten aufgeben muss sollte sie spätestens zum Einsatz kommen. Dazu gehören Krankheiten wie Hautausschläge und Ekzeme der Tiere genauso wie allergische Atemwegserkrankungen. Leider werden die Möglichkeiten der Homöopathie oft unterschätzt. Natürlich gibt es aber auch Grenzen in der Homöopathie. Diese liegen zu einem großen Teil in der Erfahrung und der homöopathischen Kenntnisse der Therapeuten, sowie der Fähigkeit des Tierbesitzers, dem Tierhomöopathen genaueste Auskunft über seinem Tier zu geben. Das setzt selbstverständlich eine gute und intensive Beziehung zwischen Tierbesitzer und seinem Tier voraus. Leider können uns die Tiere ja nicht mitteilen, ob ihre Erkrankung durch Kummer, durch Angst oder durch Streitigkeiten innerhalb der Familie des Besitzer oder durch Überanstrengung ausgelöst wurde. Ein guter Tierhomöopath sollte sich daher sehr ernsthaft bemühen auch ein guter Tierpsychologe zu sein. Deshalb ist ein zusätzliches Studium der Tierpsychologie sehr ratsam. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall: Die Kosten für eine homöopathische Therapie sind in der Regel wesentlich geringer als für eine Behandlung oder sogar Operation in einer Tierklinik. Und die Tiere haben mit Sicherheit eine sanfte, schnelle und nebenwirkungsarme Therapie verdient. |